„Dass ich nur ja für niemand Partei nehme! Und keinem Menschen werde ich schmeicheln. Denn ich weiß nicht zu schmeicheln: Sehr bald würde mein Schöpfer mich wegnehmen“ (Hiob 32,21.22).

Als Hiob und seine drei Freunde ihre Diskussionsrunde ergebnislos beendet haben, ergreift Elihu das Wort. Er erklärt, dass er geschwiegen habe, weil er als Jüngster die Weisheit des Alters hören wollte (Hiob 32,6.7). Doch er wurde enttäuscht (Hiob 32,11–13). Deswegen fühlt er sich gedrängt, nun auch etwas zu sagen (Hiob 32,15–20).

Er möchte aber nicht so reden wie die drei Freunde Hiobs, die Hiob mit ihren harten und fleischlichen Worten verletzt haben (Hiob 32,14). Er will durch den Geist Gottes geführt werden und in einen ehrlichen Dialog mit Hiob treten (vgl. Hiob 33,4.5). Elihu ist sich bewusst, wie schwach der Mensch ist: Darum sollen seine Worte den geplagten Hiob nicht ängstigen. Er möchte keinen Druck aufbauen (Hiob 33,6.7). Sofern möglich, will Elihu sogar die Gerechtigkeit Hiobs herausstellen (Hiob 33,32). Seine Absicht ist also nicht, ihn um jeden Preis zu verurteilen, wie es die drei Freunde getan haben.

Keine Schmeichelei

Das bedeutet aber nicht, dass er anderen Honig um den Bart schmieren will. Seine Rede soll so gerade sein wie die Gedanken seines Herzens (Hiob 33,3). Er will für niemanden Partei ergreifen, sondern objektiv urteilen. „Keinem Menschen werde ich schmeicheln“[1], bezeugt Elihu feierlich (Hiob 32,21).

Dieses Motto sollte auch unser Motto sein. Wir müssen als Jünger Jesu der Versuchung widerstehen, Schmeichelei einzusetzen, um uns einen Vorteil zu verschaffen oder unsere Ziele zu erreichen (vgl. Jud 16; Lk 20,21).

Folgen der Schmeichelei

Wer schmeichelt, wird auf lange Sicht keine Wertschätzung von seinen Mitmenschen bekommen. Dagegen wird derjenige, der mit mahnenden Worten den Finger in die Wunde legt, sich letztlich Achtung verschaffen. „Wer einen Menschen straft“, sagt der weise Salomo, „wird danach mehr Gunst finden, als wer mit der Zunge schmeichelt“ (Spr 28,23).

Der Schmeichler schadet jedoch nicht nur seinem Ansehen, sondern legt mit seinen glatten Worten anderen einen Fallstrick: „Ein Mann, der seinem Nächsten schmeichelt, breitet ein Netz aus vor seine Tritte“ (Spr 29,5). Denn der Nächste wird durch die Schmeichelei zu Leichtfertigkeit und Selbstüberschätzung angestachelt.

Und der Schmeichler bekommt es mit Gott selbst zu tun. Das kann so weit gehen, dass Gott ihn in seiner Regierung von der Erde wegnimmt, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet (Hiob 32,22). Der Psalmdichter sagt über diejenigen, die Falschheit reden, mit ihren Lippen schmeicheln und mit doppeltem Herzen reden: „Der Herr wird ausrotten alle schmeichelnden Lippen“ (Ps 12,3.4).

Gott ist ein Gott der Wahrheit. Er schmeichelt nicht. Gott nennt das Gute gut und das Böse böse. Er warnt in seiner Liebe eindringlich vor den Folgen verkehrter Wege. Das möchte Er auch bei uns sehen. Darum ist Schmeichelei eine Sünde, gegen die Gott aufsteht.

Ehrliche Worte

Der gottesfürchtige Elihu ist gewohnt, aufrichtig zu reden. Er versteht sich gar nicht aufs Schmeicheln (Hiob 32,22). Demgemäß weist er die Freunde Hiobs zurecht. Er widerlegt auch deutlich das, was Hiob geredet hat[2]. An mehreren Stellen bezieht Elihu sich ausdrücklich auf die Aussagen Hiobs. Er macht dabei klar, …

  • dass Gott gegen Hiob keine Feindseligkeiten erfindet (Hiob 33,9–12).
  • das Gott ihm das Recht nicht entzogen hat (Hiob 34,5).
  • dass seine Gerechtigkeit nicht größer ist als diejenige Gottes (Hiob 35,2).
  • dass seine Rechtssache vor Gott ist, auch wenn Hiob Ihn nicht sieht (Hiob 35,14).

Elihu sagt Hiob unverblümt, dass er Worte ohne Erkenntnis geredet hat (Hiob 34,35; 35,16). Das mag hart klingen, weil Hiob auch viel Gutes gesagt und seine drei Freunde mehrfach argumentativ in den Schatten gestellt hat. Aber das Urteil Elihus wird von Gott bestätigt (Hiob 38,2; 42,7).

Elihus offene Worte gehen nichts ins Leere. Der heftige verbale Widerstand von Hiob erliegt. Er wird still und nachdenklich. Schließlich knüpft Gott da an, wo Elihu in seiner Rede aufgehört hat. Hiob bricht vor Gott zusammen und es kommt zur großen Wende in seinem Leben.

Zusammenfassung

Schmeichelei ist gefährlich für den, dem geschmeichelt wird. Denn durch sie wird der Blick für Gefahren verstellt. Schmeichelei ist aber auch gefährlich für den, der sie einsetzt. Denn der heilige Gott stellt sich in seiner Regierung gegen dieses unwürdige Verhalten.

Deshalb wollen wir ehrliche Worte finden, die anderen wirklich helfen. Wer vor Gott lebt, wird niemals mit einschmeichelnder Rede auftreten (vgl. 1. Thes 2,4.5).

[Aus: Im Glauben leben]


Fußnoten:

  1. Das Wort für „schmeicheln“ kommt im Grundtext nur hier und in Jesaja 44,5 und 45,4 vor. Es bedeutet wörtlich: „jemandem einen Ehrennamen geben“.
  2. Das ist der große Unterschied zwischen Elihu und den drei Freunden: Elihu mutmaßt nicht über die vermeintlich bösen Taten Hiobs, sondern richtet seinen Fokus auf das, was Hiob in der Gesprächsrunde gesagt hat (Hiob 33,8).