Prophezeiungen nach der babylonischen Gefangenschaft 

Die letzten drei Propheten, Haggai, Sacharja und Maleachi, verkündeten ihre Botschaften nach der Zeit der babylonischen Gefangenschaft. In den Büchern von Esra und Nehemia haben wir gesehen, wie Gott eine kleine Gruppe seines Volkes nach Jerusalem und Judäa zurückgebracht hatte. Aber weder wurde Gottes Thron dort neu aufgestellt noch wurde die königliche Macht des Hauses David wiederhergestellt. Das erste Weltreich der Nationen, Babylon, wurde bestraft, weil es seinen Pflichten gegenüber Gott nicht nachgekommen war. Ein zweites Weltreich stieg auf und nahm den Platz des ersten ein. Obwohl dieses neue (medo-persische) Reich den Juden freundlicher gesinnt war, blieb das Volk Gottes unter seiner Kontrolle. Israel war also abhängig von der Gunst derer, die es wegen seiner Sünden beherrschten. Israel musste auf Gott warten, dass Er sie ihnen wohlgesinnt macht, während sie ihm dienten, bis der Messias kommt, der ihr Retter sein sollte. Trotz vieler Probleme hatte Israel immer noch Zugang zu Gottes Güte, die besonders in der Rückkehr der Gefangenen aus Babylon deutlich wurde.

Ermutigung zur Treue

Die drei Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi zeigen uns, wie Gott sein Volk ermutigte, in ihrer neuen Situation treu zu bleiben. Sie prangerten auch die Untreue des Volkes an, die sich in einem Mangel an Frömmigkeit und Ehrfurcht vor Gott zeigte. Diese vorübergehende und unvollkommene Situation hatte den Tempel als Mittelpunkt. Wenn Gott die Wiederherstellung ihres Gottesdienstes im Tempel erlaubte, dann war der Tempel der Ort, wo die Herzen des Volkes ihren Fokus haben sollten. Hier würde sich zeigen, ob ihre Herzen wirklich zu Gott zurückgekehrt waren. Trotz der Unvollkommenheit des wiederhergestellten levitischen Dienstes war der Tempel der Ort, der mit allem verbunden war, was im Volk Gottes wiederhergestellt werden konnte.

Unglaube und Entmutigung

Aber der Glaube der Juden verlor bald an Kraft, und sie hörten auf zu bauen (Esra 4,24).[1] Es gab zweifellos Herausforderungen. Es waren nicht die Tage Salomos, wo dem König alles zur Verfügung stand. Doch Gott würde seine Freundlichkeit zeigen, indem Er das Herz des Königs von Persien bewegte, ihnen Wohlwollen zu zeigen und den Weiterbau des Hauses Gottes zu erlauben. Israel hätte auf Gottes Güte vertrauen sollen; aber ihr Glaube schwand schnell und war schwach.

Züchtigung vor der Prophezeiung 

Gott tadelte sein Volk zur richtigen Zeit. Er griff zu einem Mittel, das Er schon oft benutzt hatte: Er weckte einen bzw. sogar zwei Propheten, um dem Volk neuen Mut zu geben und es anzuspornen, den Bau fortzusetzen. Zwei Dinge zeigten, dass der richtige Zeitpunkt für Gottes Eingreifen da war: der Zustand des Volkes sowie die Führung durch äußere Ereignisse. In diesem Fall hatte Gott sein Volk genug durch Schwierigkeiten gezüchtigt und ihnen damit ihren Zustand klargemacht. Außerdem hatte Er in seiner Regierung einen Fürsten erweckt, der bereit war, Gottes Willen und den Anordnungen des Kyrus zu folgen – sofern das Volk im Glauben handelte.

Schwierigkeiten sind kein Hindernis für den Glauben

Nachdem Gott so alles vorbereitet hatte, sandte Er seinen Propheten, um das Volk zu ermutigen, sich an die Arbeit zu machen, die immer ihre Pflicht gewesen war. Sie sollten auf Gott vertrauen und weiterbauen, ohne zu wissen, wie der persische König reagieren würde. Ihr Vertrauen musste auf Gott allein gerichtet sein. Wenn das nicht der Fall war, würde sich in ihren Arbeiten weder Frömmigkeit noch Glaube zeigen. Gott sorgte dafür, dass sie, sobald sie ihren Glauben zeigten, Unterstützung vom persischen König Darius erhielten. Schwierigkeiten blieben nicht aus, aber da der Glaube aktiv war, setzten sie den Bau fort und wurden von Gottes Weisheit geleitet, als sie ihren Feinden antworteten, was dazu führte, dass der König seine Zustimmung gab (Esra 5 und 6). Schwierigkeiten sind nur für den Unglauben ein Hindernis, denn der Glaube vertraut auf Gott und setzt einfach seinen Willen um.

Haggais Thema: der Tempel 

Der Hauptpunkt bei Haggai ist der Tempel. Nachdem die Gefangenen zurückgekehrt waren, kümmerten sie sich sofort um ihren eigenen Komfort, statt das Haus des Herrn wieder aufzubauen. War es wirklich an der Zeit, die eigenen Häuser zu bauen? Ruhe war genug vorhanden, um dies zu tun. Doch Glaube war dazu nicht nötig, und die Welt setzte ihnen dabei keinen Widerstand entgegen. Der Prophet zeigt, dass ihre schlechte wirtschaftliche Lage eine Folge göttlicher Bestrafung war. Warum diese Bestrafung? Weil sie das Haus Gottes und damit Gott selbst vernachlässigten. Wenn sie an Gott gedacht hätten, hätten sie zuerst an sein Haus gedacht.

Doch das Volk hörte auf die Propheten und ließ sich von der Furcht vor dem Herrn leiten (Hag 1,12). Aber der Glaube stieß auf eine weitere Schwierigkeit: Sie mussten schmerzlich erkennen, wie wenig sie tun konnten, nachdem Gott sie aus der Gefangenschaft zurückgebracht hatte. Was sie tun konnten, war nichts im Vergleich dazu, wie sich Gottes Herrlichkeit beim Tempel Salomos gezeigt hatte. Die Folgen ihres Versagens und der Gefangenschaft waren überall spürbar. Gott konnte keine herrliche Herrschaft einrichten, die im Widerspruch war mit seinem eigenen gerechten Urteil über das Volk. Er konnte sein Volk erhöhen und ihm seinen Platz zurückgeben – aber es war nicht dasselbe wie früher. Die direkte Verbindung zu seiner Macht und Herrlichkeit konnte nicht wiederhergestellt werden. Dieses Verhältnis war mit dem Gericht zu Ende gegangen. Das Bewusstsein dieses niedrigeren Zustands konnte den Glauben schwächen.

Die Gnade Gottes 

Gott kam dieser Schwierigkeit durch das Zeugnis des Propheten in seiner Gnade entgegen. Es ist sehr traurig, zu sehen, wie das, was Gott gesegnet hatte, verfallen ist. Und es ist auch traurig, zu sehen, wie das, was auf den Ruinen aufgebaut wurde, so kümmerlich ist, selbst wenn es das Ergebnis seiner wunderbaren Gnade darstellt. Der Prophet nun macht sich keine Gedanken über den persischen König und dessen Verbot, sondern ermutigt das Volk und lenkt die Blicke der Israeliten auf den HERRN selbst. Gott regiert und Er kümmert sich um sie. Er wünscht, dass sie im Blick auf das, was Er für sie war, handeln würden und dass sie seine Ehre im Auge haben. So schwach sie auch waren, Gott wollte zu ihnen stehen.

In dem Zeugnis, das Gott ablegen lässt, berücksichtigte Er voller Gnade auch, wie das bescheidene oder gar kümmerliche Werk, was sie tun konnten, auf sie wirken musste (Hag 2,3). Gott denkt an alles, was sein Volk betrifft. Er erwies sich jetzt genauso treu als ihr Gott wie in den besten Zeiten ihrer Geschichte. Es trat jetzt sogar noch deutlicher als früher zutage. Er war mit ihnen. Er wollte das Wort aufrechterhalten, das aus seinem Mund gekommen war, als Er sie aus Ägypten heraufführte. Sein Geist würde in ihrer Mitte bleiben. Sie sollten sich nicht fürchten. Indem Er den Glauben dieses schwachen Überrestes durch seine herrlichen Gnadenbeweise stärkt, spricht Er auch von Dingen, die viel weiter in der Zukunft liegen. Wenn Gott, weil sie gefallen waren und jetzt eine andere Ordnung der Dinge vorhanden war, sich nicht unter ihnen in Herrlichkeit offenbaren konnte, würde doch die Zeit kommen, in der Er selbst in seiner Macht eingreifen würde. Er würde alles erschüttern, weil die Schöpfung das Gewicht seiner Herrlichkeit nicht ertragen konnte. Er würde durch seine Macht seiner Herrlichkeit einen Platz bereiten und seinen irdischen Wohnort, den Tempel, mit seiner Herrlichkeit erfüllen (Hag 2,7).

Aber nicht nur die Erde sollte erschüttert werden. Das war schon öfter geschehen, ohne dass sich dauerhaft etwas geändert hatte. Denn der Feind, der über die Macht der Finsternis verfügt, hat stets die Menschen dazu verleitet, alles von Neuem zu verderben. Immer wenn Gott etwas gesegnet hat, hat der Mensch die Würde davon weggenommen. Jetzt aber sollten der Himmel und die Erde sowie das Meer erschüttert werden. Das heißt, die von oben ausgeübte Herrschaft sollte erschüttert werden sowie alles, was sich hier unten in einem geordneten Zustand befand, und alles, was ungeordnet in der Welt hin und her wogte. Außerdem sollten alle Nationen erschüttert werden. Dann würde das kommen, was alle Nationen sich ersehnen. Und das Haus, das sie jetzt unter so viel Mühe wieder aufbauten – das im Vergleich mit seiner früheren Herrlichkeit unbedeutend erschien –, würde durch den Herrn mit Herrlichkeit erfüllt werden.

Die wahre Herrlichkeit des Hauses 

Die hebräische Formulierung, die ich mit „das Ersehnte aller Nationen wird kommen“ übersetzt habe, ist schwer wiederzugeben (Hag 2,7). Wenn ich den Kontext betrachte, glaube ich, dass die von mir gewählte Bedeutung die richtige ist. Es scheint mir, als ob der Heilige Geist absichtlich eine vage Formulierung verwendet hat. Diese kann für jemand, der ein Verständnis dafür hat, was die wahre Herrlichkeit des Hauses ausmacht, den Messias einschließen. In diesem Abschnitt soll die sichere Zusicherung gegeben werden, dass das Haus mit Herrlichkeit erfüllt werden wird. In der Zwischenzeit sollte ihm äußere Herrlichkeit verliehen werden. Das Silber und das Gold gehören dem Herrn. Doch die Nationen, die unterdrückt sind und sich gegenseitig unterdrücken, und die nicht wissen, woher sie Glück, Stärke und Frieden erwarten sollen, werden in dem Einen, der allein der Herrlichkeit des Herrn einen Platz bereiten und wahren Frieden bringen wird, Segen und Befreiung finden. Es ist Christus. Er wird die Herrlichkeit des Hauses sein, das der arme Überrest jetzt baut.

Die letzte Herrlichkeit des Hauses 

Die letzte Herrlichkeit des Hauses soll sogar noch größer sein als die erste. Es heißt nicht: „die Herrlichkeit des letzten Hauses“. Denn es wird immer nur ein Haus Gottes gesehen. Und dieses Haus wird Gott am Ende mit noch mehr Herrlichkeit erfüllen als am Anfang; und der Friede des Herrn selbst wird dort seinen Platz finden. Dies wird in den letzten Tagen geschehen.

Er, der das Haus mit Herrlichkeit erfüllen wird, ist tatsächlich schon gekommen. Aber in der Zeit, als Er gekommen war, Frieden für unsere Seelen zu erstreiten, war die Welt in einem derart bösen Zustand, dass Er sagen musste: „Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt 10,34). Wenn Er alle Nationen erschüttert hat, wird Er in seiner Herrlichkeit kommen und die Erde zu einem Ort des Friedens machen.

Heiligkeit und Segen 

Das Buch Haggai endet mit zwei weiteren Prophezeiungen, die sich wie der Rest seines Inhalts auf das Haus Gottes beziehen. Indem das Volk des HERRN sein Haus vernachlässigte, war es gewissermaßen unrein geworden (Hag 2,10–19). Ein heiliger Gegenstand kann einen unreinen nicht heilig machen, sondern wird selbst durch Unreines befleckt, da Heiligkeit alles Böse strikt ausschließt. Die Anwesenheit des Bösen hebt die Heiligkeit einfach durch die Tatsache auf, dass es da ist. Es sei denn, die Heiligkeit ist von solcher Art, dass ihr bloßes Vorhandensein alles ihr Entgegengesetzte ausschließt, wie dies bei der Natur Gottes der Fall ist. Wenn Gott freies Wirken und der ihm gebührende Platz gewährt wird, dann kann Er durch die Macht seiner Gegenwart segnen. So kam es, dass von dem Tag an, da das Volk diese göttliche Gegenwart anerkennen wollte, Segen hervorquoll.

Alles wird erschüttert werden

Die zweite Prophezeiung (Hag 2,20–23) befasst sich noch einmal mit der Erschütterung aller Dinge. An jenem Tag soll der Herrscher Judas, der Erbe Davids, wie ein Siegelring an der Hand dessen sein, der alle Dinge erschüttern wird. Einerseits ermutigt also die Prophezeiung das Volk zu der Zeit, als sie gegeben wurde und sie einer Ermutigung auch dringend bedurften. Andererseits weist sie durch Serubbabel auf den hin, der, wenn Gott den Himmel und die Erde erschüttern wird, der wahre Nachkomme Davids und der Erbe seiner Krone sein wird – auf den Christus Gottes, den aus dem Volk Erwählten.

Das Gericht der Nationen 

Das in Haggai 2,22 erwähnte Gericht scheint nicht dasjenige zu sein, das das Haupt des römisches Tieres trifft (Off 13,1–8; 19,19–21), sondern eher jenes, das die Nationen treffen wird, die an jenem Tag gegen Jerusalem heraufziehen werden. Alles, was sich den Rechten des Herrn entgegenstellt, die nach seinen Plänen in Jerusalem ihren festen Sitz und Ausgangspunkt haben werden (welche Rechte in dem Haus, das die Juden bauten, ihren sichtbaren Ausdruck fanden), wird vollständig umgestürzt werden. Das kann ohne Zweifel auch von dem Reich des Tieres gesagt werden, doch für dieses Reich gelten andere Bedingungen als für die Nationen. Gott hatte Jerusalem der Macht des Hauptes dieses Weltreiches unterstellt (siehe Dan 2 und 7). Die Untaten, um derentwillen es von dem Gericht betroffen wird, sind noch dreister und unerträglicher als jene, deren sich die übrigen Nationen schuldig gemacht haben.

Zusammenfassung 

Zusammenfassend finden wir in dieser Prophezeiung den Hinweis darauf, dass die Segnung auf der Erde mit dem Haus verbunden ist und dass, so gering es auch erscheinen mochte, seine letzte Herrlichkeit größer sein wird als die erste. Gott beabsichtigt, nach seinem Gnadenplan alles herrlich wiederherzustellen und etwas viel Vortrefflicheres zu schaffen als das, was dem Menschen anvertraut und durch ihn gemacht wurde. In Verbindung damit steht die Erschütterung aller Dinge durch seine mächtige Hand sowie die Einsetzung des Erben Davids als desjenigen, der der Gegenstand der Liebe Gottes und das Gefäß seiner Macht ist.

Es fällt auf, dass – obwohl der Heilige Geist da ist, um sein Volk zu segnen, es zu ermutigen und es durch den Dienst am Haus Gottes mit Gott zu verbinden – Er doch die Herrschaftsrechte des heidnischen Weltreiches anerkennt. Die Zeitangaben, die den einzelnen Prophezeiungen beigefügt sind, richten sich nach den Regierungsjahren des heidnischen Königs (Hag 1,1 etc.). Der Geist Gottes möchte, dass das, was Gott gehört, Gott gegeben wird und dass das, was des Kaisers ist, demjenigen zukommt, der damals die Rolle des Kaisers innehatte. Gott hatte ihm diesen Platz gegeben. So verstehen wir die vollkommene Weisheit, die sich in der Antwort Jesu offenbart (Mk 12,17), und auch, wie diese Weisheit im Wort Gottes zum Ausdruck kommt.

Maleachis Gerichtsankündigung 

Maleachi spricht nicht davon, dass etwas aufgerichtet oder hergestellt werden soll, wie es Haggai und Sacharja tun. Er kündigt nur an, dass das Gericht diejenigen treffen wird, die aufgrund des gnädigen Wirkens Gottes in das Land zurückgekehrt waren. Er zeigt, wie wenig der Gottesdienst, durch den Gott eine Verbindung zwischen sich und Israel hergestellt hatte, auf eine Weise ausgeübt wurde, die Ihn verherrlichte.

Wichtiger Hinweis: 

Die „Synopsis“ von John Nelson Darby hat über Generationen hinweg vielen Gläubigen sehr geholfen, die Bibel besser zu verstehen. Allerdings ist die „Synopsis“ schwierig zu verstehen, wozu insbesondere verschachtelte Sätze beitragen. Hinzu kommt, dass die deutsche Übersetzung alt und manchmal auch etwas unbeholfen ist. In dieser Bearbeitung wurde der Text auf Verständlichkeit getrimmt, was manchmal auch zu Hinzufügungen und manchmal zu Weglassungen geführt hat. Im Vergleich zum Original können Nuancen durchaus anders sein. Dennoch denken und hoffen wir, dass auf diese Weise die nützlichen und tiefgründigen Gedanken von Darby für ein breites Publikum zugänglich werden. Die Überarbeitung erfolgte durch Gerrid Setzer. 

Feedback zu dieser Arbeit ist ausdrücklich erwünscht!


Fußnoten:

  1. Es gab ein Verbot des persischen Königs zum Weiterbau. Aber sie hätten sich dadurch nicht entmutigen lassen, sondern versuchen sollen, das Werk von neuem zu beginnen. Doch sie sagten lieber: „Die Zeit ist nicht gekommen, dass das Haus des HERRN gebaut werde“ (Hag 1,2).