Die drei Freunde Hiobs glaubten, dass Hiob leiden musste, weil er schwer gesündigt hatte. Um das zu untermauern, redeten die Freunde allgemein über das Verderben der Gottlosen – was Hiob selbstredend auf sich anwenden sollte. Manchmal sprachen sie ihn auch direkt an und machten ihm konkrete Vorwürfe. Am ausführlichsten tat das Eliphas (Hiob 22,5–9). Er behauptete, dass Hiob folgende Sünden begangen hatte:

  • Grundlos pfänden
  • Armen die Kleider wegnehmen
  • Dürstende nicht tränken
  • Hungrige nicht speisen
  • Gewalt anwenden, um zu Besitz und Ansehen zu kommen
  • Witwen leer wegschicken
  • Waisen die Lebensgrundlage entziehen

Das Zeugnis Gottes und Hiobs  

Diese Anschuldigungen waren einfach nicht wahr! Denn der (unbekannte) Schreiber des Buchs Hiob hat durch den Heiligen Geist etwas ganz anderes über Hiob gesagt: „Dieser Mann war vollkommen und rechtschaffen und gottesfürchtig und das Böse meidend“ (Hiob 1,1). Und Gott bezeugte zweimal im Himmel vor der versammelten Engelschar: „Seinesgleichen ist kein Mann auf der Erde, vollkommen und rechtschaffen, gottesfürchtig und das Böse meidend“ (Hiob 1,8; 2,3).

Auch Hiob selbst widersprach den unhaltbaren Vorwürfen seiner Freunde. Wenn er dabei auch nicht durch Bescheidenheit glänzte, so war er doch aufrichtig. Hiob redete davon, dass er Waise befreit und das Herz der Witwe jubeln gemacht hatte. Er hatte sich für Schwache eingesetzt und seinen großen Einfluss nicht zu seinem Vorteil missbraucht, sondern vielmehr dem Ungerechten seine Beute entrissen. Er hatte sich intensiv um Geringe, Witwen und Waisen gekümmert und sie mit Nahrung und Bedeckung versorgt (Hiob 29,12–17; 31,16–22).

Keine Beweise

Eliphas konnte keine Beweise für seine frechen Behauptungen anführen. Er kam ja aus einer anderen Gegend als Hiob und hatte keinen Einblick in das Alltagsleben seines Freundes. Er berief sich auch nicht auf verlässliche Zeugen, sondern einfach auf seine Theorie, dass Gott Unglück nur über Gesetzlose bringe. Wenn Hiob seinen Besitz verloren hatte und der Tod in seine Familie eingedrungen war, dann musste das die gerechte Vergeltung dafür sein, dass er anderen in ihrer Not nicht geholfen und ihr Sterben billigend in Kauf genommen hatte. Ja, so musste es sein!

Nachdem Eliphas und seine Freunde ihre Theorie formuliert und vehement vorgebracht hatten, gab es für sie kein Zurück mehr. Die Diskussion musste gewonnen und der widerborstige Hiob verbal aus dem Feld geschlagen werden. Auf die Idee, ihre Theorie zu hinterfragen, kamen sie nicht. Sie ließen den Gedanken einfach nicht zu, dass sie die Sache zu einseitig beurteilt haben könnten. Eliphas spann sogar ein riesiges Lügennetz, um seinen Argumenten noch mehr Schlagkraft geben zu können.

Lektionen für uns

Die Schrift warnt vor „bösen Verdächtigungen“ (1. Tim 6,4). Und wie schnell kann es geschehen, dass jemand etwas unterstellt wird! Da wird ein Bruder schwer krank oder eine Schwester erleidet einen schlimmen Unfall, und schon taucht die Frage auf, ob das nicht ein Schlag Gottes wegen einer noch nicht entlarvten Sünde sei. Wenn Kinder eigenwillige und sündige Wege gehen, wird rasch über die Versäumnisse im Elternhaus spekuliert. Ob sich die Eltern nicht derselben Sünde schuldig gemacht haben, die sich nun bei einem ihrer Sprösslinge zeigt? Wenn mehrere Geschwister eine örtliche Versammlung verlassen, werden nicht selten reflexartig die Brüder dort verdächtigt, dass sie über die Geschwister geherrscht und im Hirtendienst versagt hätten. Natürlich könnte das wahr sein, aber solange man keine klaren Indizien und Beweise hat, sind das nur böse Verdächtigungen, für die wir Rechenschaft vor dem ablegen müssen, mit dem wir es zu tun haben. Zuweilen wird auch unliebsamen Personen etwas unterstellt, damit man das negative Urteil, das man sich bereits über sie gebildet hat, aufrechterhalten kann und man nicht als jemand dasteht, der andere falsch eingeordnet hat. Das alles ist verkehrt und für die betreffende Person sehr verletzend. Es ist daher nachvollziehbar, dass Hiob angesichts der Tiraden seiner Freunde ausrief: „Siehe, ich kenne eure Gedanken und die Anschläge, womit ihr mir Gewalt antut“ (Hiob 21,27).

Wir wollen uns deshalb sorgfältig hüten vor unwürdigen Schlussfolgerungen, böswilligen Unterstellungen und unbedachten Äußerungen, die zu Streit und Bitterkeit führen und gute Freunde auseinanderbringen können. Wer selbst Opfer von Verdächtigungen geworden ist, kann sich an dem geläuterten Hiob ein Beispiel nehmen, der für seine kleinlaut gewordenen und von Gott zurechtgewiesenen Freunde betete und so die Tür zu reichem Segen aufschloss (Hiob 42,10).

[Aus: Im Glauben leben]